Samstag, 27. Oktober 2007

Up/Down

Leider ist das hier kein stetes Auf, wie ich eigentlich gehofft hatte, sondern immer wieder auch ein Ab. Zum Beispiel heute. Nutzlos dämmerte mein Körper in den Laken, mein Geist war meistens abwesend. Mal volkstümlich ausgedrückt: ich war völlig im Arsch. Ich bin völlig im Arsch. Das Schreiben ist so anstrengend, als wollte ich meinen Eintrag in Marmor meißeln. Und der Grund? Ich habe Fieber. Mehr bleibt nicht zu sagen.

(Unser Held setzt den Punkt hinter den letzten Satz, dann kollabiert er. Dies ist weitaus weniger spektakulär, als man es sich vorstellt, da er sowieso bereits liegt.)

Donnerstag, 25. Oktober 2007

Hirnflimmern

Wieder einmal habe ich das Zimmer und somit auch den Nachbarn gewechselt. Diesmal war es auf eigenen Wunsch, da ich die dritte Nacht in Folge auf Grund des Martyriums meines Kameraden kaum habe schlafen können. Ich war sozusagen Co-Märtyrer. Dieser schöne Begriff, zu dem ich mich hiermit herzlich beglückwünschen will, ist vor allem auch deswegen so schön, weil er an das Wort 'Koma' erinnert und ich mich diesem Zustand nun, nach all dem Ungemach, sehr nahe fühle. Aber auch dem Glück bin ich jetzt näher. Es sind nun nur noch wenige Lichtjahre bis dahin. Tausend oder so.

Damit schließe ich meine Ausführungen vor der Zeit, um mich ebenso vor der Zeit zur Ruhe zu betten. Ich habe Angst, dass ich vor lauter Schlafmangel nur noch peinlichen Unsinn verzapfe und der steht dann auf ewig in diesem verdammten Internet. Inder nett. Kinderfett. Kartoffelsalat. Verflucht, zu spät!

Mittwoch, 24. Oktober 2007

Neon Signs

Immer noch aus diesen vier verhassten Wänden: wieder ein Lebenszeichen von mir. Kein Bericht, wirklich nur ein Zeichen, weil es für Leere kein besseres Wort gibt als eben dies - 'Leere'. Aber es gibt mich noch und ich werde wieder mehr. Nachdem ich mich gestern noch nur leidvoll herumgewälzt habe, kann ich mich seit heute allmählich wieder spüren. Es ist so erhebend, langsam wieder hier, bei mir anzukommen. Jene Liebe zum alten Fucker Leben ist noch da. Ich will so sehr wieder dort hinaus, irgendwann.

Der DJ soll dann "Flux" von Bloc Party spielen.

Montag, 22. Oktober 2007

Down with the sickness

Tja, da hat man mir doch endlich das Internet hier gerichtet und ich muss mich jetzt nicht mehr unter übelsten Verrenkungen zur Multimediastation meines Nachbarn hinüberbeugen. Ich selbst allerdings fühle mich noch bei weitem nicht "gerichtet". Deshalb nutze ich das schwer einzuschätzende Zeitfenster bis zum nächsten Erschöpfungszustand, um mal eben meinen Eintrag abzufeuern. Nun gut, liebes Tagebuch, was habe ich denn gestern und heute so erlebt? Vor allem kenne ich jetzt den Zustand der Müdigkeit wohl in sämtlichen Schattierungen. Keine dieser Schattierungen hat mir gefallen und ich mir selbst schon mal gar nicht. Aus dem Spiegel schaute mich etwas an, was ich als Zombie bezeichnen würde, wenn der Begriff ob seiner Film-Konnotation nicht viel zu glamourös wäre. Zeitweise ergab ich mich der Vorstellung, ich sei ein altes Gemäuer, das sowohl von außen, als auch von innen völlig mit Giftefeu zugewuchert ist und auch jetzt erscheint mir dieses Bild passend - vergiftet und im Verfall begriffen.

Erschwerend kommt noch hinzu, dass mein derzeitiger Nachbar ein fürchterlicher Querulant und Quadratschädel ist, der ständig die Schwestern und Ärzte mit seiner Paranoia terrorisiert. Er zieht mich runter in seinen Sumpf aus Negativität. Doch leider kann ich sein Verhalten auch verstehen. Er beißt um sich, wie ein in die Ecke getriebener Hund. Wohlwissend, dass es nicht gut aussieht für ihn.

Gut, liebes Tagebuch. Ich lege dich dann jetzt mal wieder fein unter meine Matratze, damit mein blöder Bruder nicht wieder in dir liest.

Oh, eine Sache noch: heute habe ich meine Stammzellen durch den ZVK zurückerhalten. Ein sehr stranges Gefühl. Sehr strange. Eine große Hitze wallte durch mein Gesicht, im Mund breitete sich der Geschmack von Tomatensaft aus. Ohne Scherz: Tomatensaft. Es ist das Konservierungsmittel, das so schmeckt. Bei Körpertemperatur wird es gasförmig und verlässt dann den Körper durch den Mund... Wie ich schon sagte: sehr strange.

Samstag, 20. Oktober 2007

GLSL

Ich habe Schluckauf, mein Gehirn ebenso. Face the facts: ich bin heute völlig unblogbar. Deswegen wage ich jetzt mal das Experiment, eine kleine Diskussion im Kommentarbereich anzuregen. Reader outsourcing sozusagen. Thema: Gute Literatur, schlechte Literatur über Krebserkrankungen. Ich mache den Anfang.

Hervorragend: "Später Spagat" von Robert Gernhardt (der Meister tritt ab mit einem Tusch - einem sehr subtilen Tusch, falls man sich das vorstellen kann)

Schrott: "Ein Jahr Hölle" von Michael Lesch (weinerliche, prätentiöse Yuppie-Scheiße)

So, jetzt seid ihr dran.

Fakten, Fakten, Fakten

"Life's a bitch."
(Motörhead)


Ja toll. Ich habe nicht nur Krebs, nein, jetzt funktioniert auch noch das Internet nicht mehr. Zumindest bei dem "Multimediagerät" auf meiner Seite des Zimmers. Netterweise hat mir mein (wieder einmal neuer) Nachbar jetzt seines zur Verfügung gestellt. Und jetzt... weiß ich nicht was ich schreiben soll...

Vielleicht zur Abwechslung mal ein paar knallharte Fakten. Aaaalso: gestern hatte ich den dritten und somit letzten Tag der Chemo des ersten Hochdosiszyklus, was aber noch lange nicht heißt, dass ich entlassen werde. Ich werde nämlich noch lange nicht entlassen. In den nächsten Tagen werden meine Blutwerte und somit meine Abwehrkräfte völlig in den Keller gehen, weswegen ich morgen meine gespendeten Stammzellen zurückerhalte. Dann heißt es Warten darauf, dass diese vom Körper angenommen werden. Das dauert ungefähr zehn Tage. Und dann darf ich raus, für so ca. fünf Tage. Dann folgt ... der nächste Zyklus! Wie ich schon sagte: die Fakten sind knallhart.

So, und beim nächsten Mal wieder Literatur...

Freitag, 19. Oktober 2007

Harder to breath

6.00 Uhr: Der Mensch neben mir (mein neuer Nachbar, ich stellte ihn noch gar nicht vor - gestern bin ich in ein anderes Zimmer verlegt worden) verreckt gerade. Und das schon seit Stunden. Zumindest bildet er sich ein, dass er verreckt. Er leidet unter Atemnot.

Wie man meiner Wortwahl entnehmen kann, bemitleide ich ihn kein Stück. Ich hasse ihn dafür.

Schlafentzug gilt ja als sehr beliebte Foltermethode. Er macht Menschen zu Barbaren und lässt sie ihre Ideale verraten. Ich würde noch einige Ideale mehr verraten, als ich es hier, mit meinem Aussagen, schon getan habe, für noch zwei Stunden herrlichen, ungestörten Schlaf.

Donnerstag, 18. Oktober 2007

Ein Anderer

Mir ging es heute den Großteil des Tages so dermaßen beschissen, dass ich, hätte ich diesen Eintrag vor ein paar Stunden gemacht, nur hätte schreiben können, dass meine derzeitige Lage jeder Beschreibung spottet. Und das wäre es dann gewesen - kurz, aber authentisch. Nun geht es mir, Cortison sei Dank, schon deutlich besser. Mir ist aber auch jegliche Lust an Klageliedern vergangen. Dies führt nun zu dem Problem, dass die Beschreibung der Abwesenheit von Leid, vor allem bei gleichzeitiger Abwesenheit von Konzentration, sich noch viel schwieriger gestaltet.

Ich könnte freilich nun für einen Moment innehalten, um meine Situation einer etwas objektiveren Betrachtung zu unterziehen. Könnte einen philosophischen Text darüber schreiben, was eine derartige Krise mit einem Menschen anstellt und wie sie nicht nur seinen Körper, sondern auch seinen Geist wandelt, aber... Nun ja. Zumindest würde ich dies tatsächlich gerne irgendwann tun. Zu einem großen Teil ist nämlich mein Blog eben dies: der Versuch, Abstand von meiner Situation zu gewinnen, indem ich versuche, Worte dafür zu finden, um die Situation so schließlich auch intellektuell durchdringen zu können. Bisher bin ich daran kläglich gescheitert. Die Verwirrung wächst eher noch und mit ihr das Gefühl von Fremdbestimmtheit und Ausgeliefertsein. Das Know How ist bei den anderen. Für jemanden wie mich, der ich immer sehr eigenbrötlerisch war und der ich meine Probleme immer versucht habe, alleine zu lösen, ist das häufig schwierig zu akzeptieren.



Und jetzt lese ich den letzten Abschnitt und erlebe wieder das Gleiche, wie bei vielen vorherigen Einträgen. Ich frage mich, ob ich denn wirklich mit meiner Beschreibung die Sache auf den Punkt bringe. Ich zweifle, ob denn alles wirklich der Wahrheit entspricht, wie ich es schildere oder ob meine Urteilskraft nicht durch temporäre Gefühlslagen getrübt wird. Kann ich mich denn überhaupt von außen betrachten? Und selbst, wenn ich dies gar nicht erst versuche, wenn es aus meinem Innenleben, aus meinem Herzen zu kommen scheint, was ich schreibe: ist es nicht doch immer grob verkürzt und verfälscht, wie ich es schildere? Kann ich überhaupt Auskunft geben von mir? Kann ich mich selbst noch erkennen in diesem Chaos, in diesem Krieg?

Wer ist es, der hier diese Zeilen schreibt?

Mittwoch, 17. Oktober 2007

Was gibt's neues vom Weltkrieg?

Nicht viel, wie ich sagen muss. Ich hänge halt so rum und an der Chemo. Noch nie konnte ich mit mehr Berechtigung auf die Frage "Wie geht es?" mit "Läuft." antworten.

Call to arms

Auf gewisse Weise ist das Verlegen des ZVK ein Initiationsritual. Man wird aufgenommen in die Gemeinschaft der Siechenden. Vorhin noch war ich agil, saß in meinem Krankenzimmer und fühlte mich fehl am Platz. Jetzt - danach - ist alles anders. Nun bin ich Teil der Rotte. Tarnfarben, mit geschultertem Gewehr, lauere ich im Schützengraben und harre der Dinge. Die Schlacht, die Chemo, kann beginnen.

Dienstag, 16. Oktober 2007

C. P. II

"This is radio nowhere.
Is there anybody alive out there?"
(Bruce Springsteen)

Und wieder flackern Blaulichter durch meine Fenster. Der aufmerksame Leser weiß, wer dort draußen auf mich wartet. Nun verlangt es Realismus, meine Situation zu beschreiben, ihr gerecht zu werden. Doch alles in mir schreit nach Flucht, nach Realitätsflucht, nach Eskapismus. Und so ist dies hier, mein Geschreibsel, lediglich auf Aktionismus zurückzuführen. Es bringt alles nichts.

Nein, wirklich: das alles bringt doch nichts. Also hänge ich vor dem Fernseher und übe es, verrottendes Fleisch zu sein. Ich würde gerne fünf Flaschen Wein köpfen und dann den Mond anheulen, statt meine Leser vollzuheulen. Nun ja. Leider ist sie vorbei, die Party.

Die Party ist vorbei.

Meine Haare reloaded

Heute habe mich mir eine Glatze rasiert. Anders, als man meinen sollte ist dies ein archaischer, männlicher, unglaublich erhebender Akt, der meinem Aussehen das Sanfte ausgetrieben hat. Ich wirke nun ziemlich martialisch. Ein wenig kann ich Skinheads und Shaolin-Mönche verstehen.

...

Ich schreibe Nichts, weil gerade Nichts passiert. Ein wundervolles, so unglaublich erholsames Nichts. Ich habe dieses Nichts sehr lieb. Und habe ein Bild gemalt von ihm. So sieht es aus:













.

Samstag, 13. Oktober 2007

Meine Haare 2

"Ich leide wie ein Hund." hörte man Stoiber vor einiger Zeit sagen. Nicht so ich. Mir geht es angesichts der Umstände sogar erstaunlich gut. Bei mir ist es so: ich haare wie ein Hund.

Und nun warte ich darauf, dass irgendein Halbfremder auf die ausgefallenen Haare auf meinen Schultern deutet und kichert: "Du kriegst ja eine Glatze, hihi.", damit ich ihm dann ein knochentrockenes: "Ja, das kommt von der Chemo..." um die Ohren hauen kann. Krebs und Humor, naja. Hier kommt zusammen, was zusammen gehört.

Meine Haare fallen aus

Meine Haare fallen aus,
ich muss sie nicht einmal mehr raufen.
Hätt' ich Geld, nicht nur Applaus,
ich würd' mir 'nen Revolver kaufen.

Deine Haare überall,
ich darf dich nicht einmal verdrängen.
Könnt' ich doch mit einem Knall,
dies' Haus zu Schutt und Asche sprengen...

So bin ich betrunken hier
und muss von uns'ren Haaren schreiben.
Düster ist's, ich sterbe schier
und will so gerne bei dir bleiben.


(Natürlich fallen mir die Haare aus einem ganz anderen Grund aus. Aber ist es nicht so viel romantischer und weniger deprimierend?)

Freitag, 12. Oktober 2007

Von Brecht gelernt

"Wer fightet kann ablosen,
wer nicht fightet hat schon abgelosed."

schreibe ich in das goldene Gästebuch meiner Station. Und ermpfehle mich. Ab nun funke ich wieder von zu Hause.


Donnerstag, 11. Oktober 2007

In my blood

Also, ick sach ma so: mein Blut, dat is echt dufte. Also echt, 'ne Spitzentype. Hat es doch bereits heute genug Stammzellen hergegeben, dass ich bereits morgen wieder nach Hause kann. Um dann, selbstverständlich, am 17. frisch und munter zur Chemo zu erscheinen, damit man mir das Frische und Muntere wieder austreiben kann. Bis dahin heißt es allerdings PARTY! Wobei ich anmerken muss, dass für mich schon das Schlafen im eigenen Bett die reinste Partystimmung bedeutet.

Let's call it a day

Kinder, Kinder. Also, das war so: aufwachen, Blutabnahme, frühstücken, Arzt kommt rein, Arzt checkt Armvenen wegen der anstehenden Stammzellenspende, Arzt schüttelt den Kopf, Arzt sagt: "Sie brauchen einen ZVK", ich: "Oh nein", Arzt: verschwindet, plötzlich: ganzer Raum voller Ärzte, ZVK wird gelegt: gar nicht so schlimm!, dann auf zum Röntgen, zwei Ärzte begleiten mich, warten aufs Röntgen, mit den Ärzten anfreunden (wir duzen uns jetzt), geröntgt werden, Ergebnis: alles okay (ZVK liegt richtig), zur Stammzellenspende eilen, dann aber: auf ausstehende Werte warten müssen, erfahren: die Werte treffen so schnell nicht ein, gesagt bekommen: gehen sie doch mal lieber erst zum Mittagessen, zur Station zurückkehren, zu Mittag essen, dann auch noch Nachbarn verabschieden. Puh, und jetzt ist es 12:44 Uhr und... ich könnte eigentlich schon wieder schlafen gehen...

Mittwoch, 10. Oktober 2007

Survival Sickness

Dideldidum,
ich liege herum
im Klinelikum,
äh Klinikum.

Dieses Gedicht hat eine Fortsetzung, die ich dem Leser aber lieber ersparen möchte. Es vermittelt dennoch sowohl inhaltlich, als auch qualitativ einen guten Eindruck davon, dass der Gang in eine Klinik immer auch den Gang in eine geistige Einöde bedeutet. Wenn du lang genug auf auf eine weiße Wand blickst, blickt die weiße Wand irgendwann auf dich. Oder so. Oder auch nicht. Zumindest wird man selbst wie diese weiße Wand - nichtssagend, charakterlos. Patientenvieh. So erlebe ich es immer wieder. Und könnte nun anheben zu einer scharfsinnigen Analyse dieser Situation, aber...

hey, auf RTL kommt gerade der Schuldnerberater... Dideldidum...

Free Hospital

So, da bin ich nun wieder, back in da house, also in da krankenhouse. Und habe ich geweint vorher, habe ich gehadert? Aber nein! Vielmehr erfüllt mich eine merkwürdige Gelassenheit ,die beinhahe schon in leichte Heiterkeit übergeht. Vielleicht ist dies der Buddhist in mir. Es mag aber auch der Masochist sein.

Kurzer Check der Gegebenheiten: Station - gut (also nicht die Abnippelstation, auf der man mich beim letzten Mal kurz unterbrachte), Zimmer - ebenfalls gut (die Toilette ist außerhalb, ich bleibe von Darmgeräuschen verschont), Nachbar - cool (wieder kein Fußball- und Formel 1-Typ und ebenfalls kein Röchelopa). Hier lässt es sich für einige Zeit leben, wenn man mich denn lässt.

Tja, so verbleibe ich vorerst, völlig leisure, völlig easy und harre der Dinge, die da kommen. Dies wird im Übrigen vorerst keine Chemo sein. Zunächst einmal werden Stammzellen gesammelt. Mit der Chemo geht es dann erst in genau einer Woche los. Also in einem anderen Leben für jemanden wie mich, der nur noch von Tag zu Tag lebt.

Dienstag, 9. Oktober 2007

Lied vom Rückenschmerz


"Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa
aaaaahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh
hhhhhrgh!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!"





(Linernote, vorgetragen mit der Stimme eines kiffenden Altrockers: Na ja, das fing heute morgen an mit den Rückenschmerzen. Man hat mir ja letztens diese Spritze gegeben, die soll das Knochenmark anregen, Stammzellen zu produzieren. Und die Ärztin hat mir gesagt, dass die Knochen schmerzen könnten davon. Ja, und das machen sie jetzt auch. Also: vor allem die Wirbelsäule, die macht mir echt zu schaffen. Man kann sagen, die Sache hat mich ins Mark getroffen, höhöhöhö. Tja, und dann hab ich halt diesen Song geschrieben. Ich stell mir den mit so ner ganz schrillen, experimentellen Instrumentierung vor. Fingernägel auf Schultafel oder so. Is n Hit, is n echter Hit.)

Montag, 8. Oktober 2007

Dementi

Diese für euch langweilige, für mich dagegen erfreuliche Neuigkeit habe ich der besseren Goutierbarkeit wegen in ein paar Verse gepackt:

Ich bin noch nicht im Krankenhaus,
darf noch zu Hause bleiben.
Und jetzt? Geh'n die Gedanken aus.
Worüber soll ich schreiben?

Das Bloggen ist ja eh sehr schwer,
so hart erquälte Zeilen.
Ich hab bald keine Leser mehr,
um diese Qual zu teilen.

Einsam wird es dann um mich
und meine Kapriolen.
Oh je, dann werden sicherlich
mich Tod und Teufel holen.


(Na gut. Es geht dann halt übermorgen weiter. Aber ich lasse ungern die Kirche im Dorf. Die bimmelt immer so laut.)

Sonntag, 7. Oktober 2007

Nohms Neuigkeiten

Findet ihr es auch so ulkig und ärgerlich zugleich, wie in Boulevardmagazinen wie "Taff" eine Überzahl von Alliterationen bemüht wird, um den Anschein von sprachlicher Geschliffenheit zu erwecken? Das hört sich dann ungefähr so an:

Karl, der kuriose Krebskranke campiert ab morgen wieder im Krankenhaus. Der stämmige Sturkopf soll sich selbst dort Stammzellen spenden. Nach den Nackenschlägen der letzten Leidenswochen hagelt es bald schon die Hochdosis-Chemo – schöne Scheiße.

Haha! Jetzt habe ich verdeutlicht, was ich meine und gleichzeitig die zur Zeit relevanten Informationen geliefert. Toll, oder?

Samstag, 6. Oktober 2007

Heute im Kino gewesen

"War super."
(K.C. Nohm)

Ich setze mich also nun an den Computer, um dies hier zu verfassen und fühle mich ausnahmsweise einmal nicht schwer und schwindlig, sondern, im Gegenteil, leicht und… nun ja… schwindlig…, woran allerdings keine Medikamente und auch keine anderen Drogen schuld sind, sondern – ihr werdet lachen – der Film „Ratatouille“, den ich soeben sah und unter dessen Eindruck ich immer noch stehe – ich fühle mich wie in Paris und möchte durch die Straßen tanzen; dabei bin ich in Krefeld und durch die Straßen tanzende Menschen werden getötet - und „Eindruck“ steht hier synonym für ein hoffnungsloses High, das nicht von ungefähr kommt, sondern von einer durch gar nicht sterile, sondern detaillierte und liebevolle Animation transportierten Geschichte, die von der großen Anständigkeit ihrer Macher und deren tiefen Liebe zu ihrem Sujet zeugt, außerdem dabei ein Triumph des klassischen Geschichtenerzählens ist und mich nun diesen außer Kontrolle geratenen Satz schreiben lässt - als Hommage, denn der Satz ist… lang wie ein Rattenschwanz…

Freitag, 5. Oktober 2007

Phantom / Ghost

"I focus on the pain,
the only thing that's real."
(Nine Inch Nails)

Heute gab es einige Momente, in denen ich mich fast schon wieder normal fühlte. Dies ist angesichts des düsteren Mystizismus’, mit dem man dem Krebs und auch seiner Behandlung, der Chemotherapie, begegnet, beinahe schon enttäuschend. Mich beschleicht der Verdacht, dass das echte, tiefe Leiden in seiner ganzen scharfkantigen Realität in unseren Breiten nicht mehr existiert. Alles verbleibt unter einer leicht steril riechenden, leicht sedierend wirkenden Watteschicht. Dabei leide ich ja tatsächlich. Und das schlimmer, als es jemals vorher der Fall war.

Aber: es ist auch auszuhalten. Mehr noch: ich könnte Schlimmeres aushalten. Da ist immer noch Luft.

Vielleicht ist es ja auch so, dass wirklich jede Regung, die durch diese meine Glieder geht – durch diese Glieder, die schwitzen und scheißen und schlafen, diese altvertrauten Zellen, dieses verwohnte Zuhause –etwas abbekommt von der Banalität ihres Schauplatzes. Vielleicht ist alles am Ende banal.

Notiz an mich: „Entfremdung“ von Rahel Jaeggi erwerben.

Mittwoch, 3. Oktober 2007

Exklusiv! Der Krebs-Blogger im Interview

Reporter: Herr Nohm! Herr Nohm! Hättense vielleicht mal ne Minute?

Karl C. Nohm (unwirsch): Ja, was ist denn?

R.: Herr Nohm, man spricht ja jetzt allerorts von ihrem sogenannten Weblog, wo se so schön mitfühlbar über ihrn Krebs berichten. Was hammse denn genau?

N.: Hodenkrebs. Das mag zunächst lustig klingen, ist aber wie Scheiße am Schuh.

R.: Wie? Aber der soll doch so gut heilbar sein. Wie beim Friseur von der Tante vom Sohn meines Schwagers. Bei dem is alles super jetzt. Der hat auch Kinder und alles.

N.: Tja. Bei den meisten ist es einigermaßen schnell überstanden.

R.: Bei Ihnen etwa nicht?

N.: Bei mir nicht.

R. (ratlos): Bei Ihnen also nicht.

N.: Nein, bei mir nicht.

R.: Ääääääh, und was steht denn dann jetzt an bei Ihnen? Was erwartet Ihre Leser in den nächsten Tagen?

N.: Ich kann noch einige saftige Klinikaufenthalte versprechen, geschildert von einem saftlosen Schreiber. Stammzellensammlung, drei Zyklen Hochdosis-Chemo, ein bunter Blumenstrauß also. Sie verstehen?

R.: Jaaaaa…

N.: Na, ich muss dann jetzt auch mal weiter. Mir kommt’s gerade wieder hoch.

R.: Äh ja. Dann tschüssi!

N.: Tschüssi! (kotzt einen gewaltigen Schwall auf die Straße)

Toxic

"Alles ist vergiftet."
(Jan Delay)

11.31 Uhr: Ich bin heute aufgewacht. Das ist schon einmal positiv. Ich bin heute aufgewacht und ich war daheim. Das ist noch besser. Nun wünschte ich, ich könnte angemessen glücklich sein über diesen Zustand.

Doch: Ich habe die Pest mitgebracht aus der Klinik. Diesen Berserker in meinem Blut, in meinen Zellen. Fast schon wundert es mich, dass ich nicht grün schimmere. Ich bin fahrig, unkonzentriert, dünnhäutig. In einer Sekunde möchte ich losheulen, in der anderen alles in Stücke schlagen. Und dann bin ich ganz kurz wieder der Alte und reiße einen trockenen Witz.

Auch jetzt: ich schreibe einen Satz nieder, springe auf, renne durch die Wohnung, betrachte mich in einem Spiegel, erkenne mich nicht wieder. Ziehe prüfend an meinen doch gerade erst nachgewachsenen Haaren. Ungesund fühlen sie sich an und künstlich. Aber noch halten sie.

Dann wieder: Grüne, ätzende Schwaden ziehen über meine Magenwände. Ich muss kotzen. Nein, ich muss doch nicht kotzen. Ich will mich selbst auskotzen. Ich kotze mich an.

Am Ende: Chemo-Psycho. Chemo-Heulsuse. Geh doch einfach sterben, bitte.




Dienstag, 2. Oktober 2007

P.S.

Kauft Shotter's Nation!
Kauft Shotter's Nation!
Kauft Shotter's Nation!
Kauft Shotter's Nation!
Kauft Shotter's Nation!
Kauft Shotter's Nation!
Kauft Shotter's Nation!
Kauft Shotter's Nation!

Bulletproof ... I wish I was

Zu Hause. Ein flüchtiges Glück.
Die Worte flüchten ebenso.

Ich kam bis nach Vietnam in meinem Herzen.

Celebration

13.55 Uhr: Welch Glück! Die Aliens waren zu Verhandlungen bereit! Das Ergebnis: ich darf nach Hause! Ich bin eigentlich zu schwach und fertig um mich zu freuen, aber was da in mir rumort fühlt sich zumindest halbwegs nach einer positiven, emotionalen Regung an. Diese verdammten fünf Tage sind überstanden...

Meine nächste Meldung wird somit vom Heimatplaneten erfolgen. Vielleicht sind dann meine Gedankengänge auch nicht mehr ganz so extraterristisch...

Good morning, good morning

9.00 Uhr: Chaos um mich herum. Viel zu grelles Licht. Mir unbekannte Wesen tun Dinge mit mir, die ich nicht einordnen, nicht verstehen kann. Bin ich von Außerirdischen entführt worden?

Montag, 1. Oktober 2007

Menschen, Chemo, Sensationen

Ich blogge live von der Chemo:

9.43 Uhr: Warten auf die Chemo ist wie warten auf die Hinrichtung. Gestern zog ich einen Vergleich zwischen Chemo und Frankenstein-Experimenten, aber heute fühle ich mich eher nach Todestrakt. Und ich schwanke zwischen Resignation und einem tiefen Unwillen, ja Ekel, vor dem, was gleich wieder in meine Adern gepumpt werden soll. Es ist Tag 5 des Zyklus. Hiernach werde ich erstmal wieder ein paar Tage meine Ruhe haben. Aber ich weiß jetzt schon, dass die kommenden Stunden sich ins Unendliche ausdehnen werden.

10.32 Uhr: Ein Mittel gegen Übelkeit bildet die erste Vorhut. Ich freue mich schon auf das nachfolgende Cortison. Das macht mich immer ein wenig high.

10.52 Uhr: Okay, das hatte ich mir jetzt besser vorgestellt. Ich hänge immer noch wie ein erloschener Stern in diesem viel zu kleinen Kosmos Krankenzimmer. Gerade eben läuft Kochsalzlösung in meine Halsvene. Das Gift lässt noch auf sich warten.

11.30 Uhr, Zwischenbericht aus dem Schützengraben: Immer noch keine Chemo. Ich spüre, wie der Terror durch mich meine Nervenbahnen zieht. Anflüge von Panik, ohne panische Gedanken zu haben. Angst als rein körperliches Symptom. Doch schon jetzt, im Moment des Aufschreibens, verflüchtigt sie sich wieder.

11.42 Uhr: Und wenn mir Vera in't Veen jetzt ihre "Helfer mit Herz" anschleppte, gäbe das Stoff für Abendnachrichten und ganz sicher nicht für ihre Sendung. (Ich sah gerade den Trailer für diese Sendung; es ist zum Kotzen).

11.50 Uhr: Was hier allerdings gerade angeschleppt wurde, ist das Mittagessen. Ebenfalls sehr geschmacklos.

12.18 Uhr: Wie man schon an den letzten beiden Einträgen erkennen kann, geht es mir gerade wieder erstaunlich gut. Ich kriege zwar immer noch keine Chemo, habe das wirkliche Tief also noch vor mir. Auf der anderen Seite habe ich jetzt eher das Gefühl, in der Grundverfassung zu sein, um das ganze durchzustehen. Es ist jetzt einfach mehr Substanz da zum "herunterzuwirtschaften". Zähneknirschend muss ich zugeben, dass Frühstück und Mittagessen, die ich mir widerwillig reingewürgt habe, wohl viel mit dieser positiven Entwicklung zu tun haben. Ein Tipp also an alle Chemopatienten: Nahrung ist euer Freund. Ein extrem hässlich anmutender Freund vielleicht, aber immerhin ein Freund.

13.06 Uhr: Was ist stressiger, als eine Chemo zu bekommen? Mitten in der Chemo verlegt zu werden! Es ist kaum zu glauben, aber mein Bett wird so dringend gebraucht, dass man mich jetzt noch in eine andere Station verlegt. Entweder vor dem ersten Beutel Chemo, was zu hoffen ist, oder erst danach. (Man war sich noch nicht sicher, wann mein neues Zimmer frei wird.) Danach wäre natürlich mies. Wie soll ich es ins andere Gebäude schaffen, wenn ich dann schon mit meiner bloßen Existenz überfordert bin?

13.12 Uhr: Eine gute Nachricht gibt es allerdings auch: Sollte mir meine Gesundheit nicht übelst in die Quere kommen, darf ich morgen erstmal nach Hause!

13.49 Uhr: Okay, so langsam sollte man mal anfangen, von einem Skandal zu sprechen... Ich soll jetzt gleich bereits mein Bett freigeben, obwohl das Bett auf der anderen Station noch nicht zur Verfügung steht. Das bedeutet für mich, dass ich mich, während die Chemo läuft (sie wurde gerade eben angehängt) in die Kaffeeküche setzen darf. Danach geht es erst ins neue Zimmer. Das Drama nimmt eine unerwartete Wendung zu Realsatire.

17.50 Uhr: Okay, der Umzug ist geglückt. Ich bin auch nur ein ganz kleines bisschen traumatisiert. Auch dank guter Freunde, die gerade bei mir sind. (In Wirklichkeit bin ich auch schon ein Momentchen länger hier, die drei halten mich bloß vom Schreiben ab).

20.20 Uhr: Nun gut, das war ja mal überhaupt nichts. Und wer ist schuld? Das Gesundheitssystem! Man hat mich aus meinem schönen Zimmer vertrieben und jetzt bin ich hier, in einem ekelhaften Betonklotz, bei einem siechenden alten Mann. Ein sogenanntes Original. Ich hasse Originale. Jetzt haben mich also der Umzug, der Besuch meiner Freunde und vor allem dieser röchelnde Typ davon abgehalten, euch die ultimative Chemo Experience zu vermitteln. Dabei ist läuft der Mist immer noch... Aber bei mir läuft nach all dem absolut gar nichts mehr. Willbloßschlafngutenacht.