Donnerstag, 18. Oktober 2007

Ein Anderer

Mir ging es heute den Großteil des Tages so dermaßen beschissen, dass ich, hätte ich diesen Eintrag vor ein paar Stunden gemacht, nur hätte schreiben können, dass meine derzeitige Lage jeder Beschreibung spottet. Und das wäre es dann gewesen - kurz, aber authentisch. Nun geht es mir, Cortison sei Dank, schon deutlich besser. Mir ist aber auch jegliche Lust an Klageliedern vergangen. Dies führt nun zu dem Problem, dass die Beschreibung der Abwesenheit von Leid, vor allem bei gleichzeitiger Abwesenheit von Konzentration, sich noch viel schwieriger gestaltet.

Ich könnte freilich nun für einen Moment innehalten, um meine Situation einer etwas objektiveren Betrachtung zu unterziehen. Könnte einen philosophischen Text darüber schreiben, was eine derartige Krise mit einem Menschen anstellt und wie sie nicht nur seinen Körper, sondern auch seinen Geist wandelt, aber... Nun ja. Zumindest würde ich dies tatsächlich gerne irgendwann tun. Zu einem großen Teil ist nämlich mein Blog eben dies: der Versuch, Abstand von meiner Situation zu gewinnen, indem ich versuche, Worte dafür zu finden, um die Situation so schließlich auch intellektuell durchdringen zu können. Bisher bin ich daran kläglich gescheitert. Die Verwirrung wächst eher noch und mit ihr das Gefühl von Fremdbestimmtheit und Ausgeliefertsein. Das Know How ist bei den anderen. Für jemanden wie mich, der ich immer sehr eigenbrötlerisch war und der ich meine Probleme immer versucht habe, alleine zu lösen, ist das häufig schwierig zu akzeptieren.



Und jetzt lese ich den letzten Abschnitt und erlebe wieder das Gleiche, wie bei vielen vorherigen Einträgen. Ich frage mich, ob ich denn wirklich mit meiner Beschreibung die Sache auf den Punkt bringe. Ich zweifle, ob denn alles wirklich der Wahrheit entspricht, wie ich es schildere oder ob meine Urteilskraft nicht durch temporäre Gefühlslagen getrübt wird. Kann ich mich denn überhaupt von außen betrachten? Und selbst, wenn ich dies gar nicht erst versuche, wenn es aus meinem Innenleben, aus meinem Herzen zu kommen scheint, was ich schreibe: ist es nicht doch immer grob verkürzt und verfälscht, wie ich es schildere? Kann ich überhaupt Auskunft geben von mir? Kann ich mich selbst noch erkennen in diesem Chaos, in diesem Krieg?

Wer ist es, der hier diese Zeilen schreibt?

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Tja, wahrscheinlich hast Du einfach ganz direkt zwei große philosphische Probleme:
1. das Subjekt-Objekt-Problem
2. das Wittgenstein-Problem: "Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt".

Deine Situation lässt sich anscheinend nicht wirklich in Worte fassen und Du scheiterst - letztlich - bei dem Versuch, Dein Dasein von außen ("objektiv") zu betrachten.

Wobei man nicht wirklich sagen kann, was "Scheitern" eigentlich bedeutet.

Ich bewundere, wie Du mit Deiner Situation umgehst. Ich finde es wirklich sehr erstaunlich, wie Du es schaffst, die Situation, in der Du bist, zu reflektieren und auf sie zum Teil ironisch, zum Teil witzig und zum Teil traurig zu schauen.

Wie Du es schaffst, andere Perspektiven einzunehmen, verlangt Respekt!

Und wenn nur ein kleiner Teil der Menschheit es auch nur annährend schaffen würde, sich selbst so von außen zu betrachten, wie es Dir gelingt, dann wäre die Welt ein Stück weit besser!

Alles Gute und Kopf hoch,

PantaRei

Anonym hat gesagt…

Wir sind dann schon gut, wenn wir es schaffen, uns selber nur ein bisschen von außen zu betrachte, gimme. Und so viele Facetten Deine Krankheit und die Behandlung hat, so viele unterschiedliche Gefühle wird sie hervorrufen, denke ich. Hört sich für mich (auch wenn die Formulierung seltsam ist) "normal" an für Deine Situation. Wenn nur ein Gefühl bei Dir vorherrschend wäre, egal ob Selbstmitleid oder Zynismus oder anderes, dann würde es mich wundern.
LG Brigitte.